Entscheidungen  Landesverfassungsgerichte  VerfGH des Freistaates Sachsen  2019 

VerfGH des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 21.03.2019, Vf . 118 - IV - 18

Leitsatz (redaktionell):

1. Bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung oder die Aussetzungsreife der Maßregel ergeben sich aus der freiheitssichernden Funktion von Art 16 Abs. 1 Satz 2 Verf. SN Mindesterfordernisse für die Wahrheitsfindung im materiellen und im Prozessrecht. Zieht das Gericht einen Sachverständigen heran, so hat es dafür Sorge zu tragen, dass das ärztliche Gutachten die zur Entscheidung berufenen Richter in die Lage versetzt, schon im Hinblick auf die Freiheitsgarantie eine eigenständige Prognoseentscheidung zu treffen. Hierzu gehört, dass das Gutachten darstellt, ob und gegebenenfalls welche Straftaten vom Untergebrachten in Folge seines Zustandes zu erwarten sind (vgl. auch VerfGH Leipzig, 19.7.2012 – Vf. 27-IV-12).

2. Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren (vgl. auch VerfGH Leipzig, 23.2.2012 – Vf. 139-IV-11).

3. Zudem werden gem. § 67d Abs. 6 Satz 2 und 3 StGB n.F. die materiell-rechtlichen Anforderungen an die Fortdauer der Unterbringung im Hinblick auf die drohenden Rechtsgutsverletzungen abhängig von der Dauer der Unterbringung angehoben (vgl. BVerfG, 20.12.2018 – 2 BvR 2570/16). Bei einer Vollzugsdauer von sechs und weniger als zehn Jahren ist – wie im vorliegenden Fall – gem. § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB die Fortdauer der Unterbringung i.d.R. nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden.

Zitierung:
VerfGH des Freistaates Sachsen, 21.03.2019, Vf . 118 - IV - 18
Bundesland:
Sachsen
Fundstelle:
BtPrax 2019, S. 167 (Leitsatz)