Entscheidungen  Bundesspruchkörper  BVerfG  2018 

BVerfG, Beschluss vom 07.08.2018, 1 BvR 1575 / 18

Leitsatz (redaktionell):

1. Wird mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, so ist bei der Folgenabwägung ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe müssen besonderes Gewicht haben. Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibel oder nur sehr erschwert revidierbar sind (vgl BVerfG, 06.10.2015, 1 BvR 1571/15, BVerfGE 140, 211 ), um das Aussetzungsinteresse durchschlagen zu lassen.

2. Die in § 1906a Abs 1 Nr 7 BGB geregelte Beschränkung der ärztlichen Zwangsbehandlung eines Betreuten auf den Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus begründet keinen besonders schwerwiegenden und irreparablen Nachteil, der es rechtfertigen könnte, den Vollzug der Norm ausnahmsweise im Wege einer einstweiligen Anordnung auszusetzen. Der Ausschluss der ambulanten Möglichkeit der Zwangsbehandlung beruht auf Sachgründen, deren Tragfähigkeit nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist (vgl BVerfG, 26.07.2016, 1 BvL 8/15, BVerfGE 142, 313 ).

3. Vorliegend vermögen auch das fortgeschrittene Lebensalter des Beschwerdeführers und die bloße Möglichkeit eines sich verschlechternden Gesundheitszustandes infolge der Nichteinnahme von Medikamenten allein das erforderliche deutliche Überwiegen im vorgenannten Sinne nicht zu begründen.

Zitierung:
BVerfG, 07.08.2018, 1 BvR 1575 / 18
Bundesland:
Baden-Württemberg
Fundstellen:
FamRZ 2018, S. 1599 (red. Leitsatz, Gründe)
RuP 2019, S. 36 (red. Leitsatz, Gründe)
BtPrax 2018, S. 241 (Leitsatz)