Entscheidungen  Bundesspruchkörper  BVerfG  2018 

BVerfG, Beschluss vom 16.03.2018, 2 BvR 253 / 18

Leitsatz (redaktionell):

1. Jedenfalls in Fällen, in denen im Unterbringungsverfahren unmittelbar bevorstehende Zwangsmaßnahmen Verfahrensgegenstand sind, sind die Vorschriften über die Verfahrenspflegschaft dahingehend auszulegen, dass sie auch das Recht zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde einschließen, also dem für das einfachrechtliche Verfahren bestellten Verfahrenspfleger (§ 317 FamFG) die Befugnis einräumen, im Interesse des Betroffenen über die einfachrechtlichen Rechtsmittel hinaus Verfassungsbeschwerde zu erheben (für das betreuungsrechtliche Verfahren vgl. BVerfG, 22.05.2013 – 1 BvR 372/13, BVerfGK 20, 304 ).

2. „Eingriffe und Beschränkungen“ der Unverletzlichkeit der Wohnung, die nicht „Durchsuchungen" sind, dürfen gem. Art. 13 Abs. 7 GG nur unter ganz bestimmten, genau umschriebenen Voraussetzungen vorgenommen werden. Bei Wohnräumen i.e.S. entspricht diese strenge Begrenzung der zulässigen Eingriffe dem grundsätzlichen Gebot unbedingter Achtung der Privatsphäre des Bürgers (vgl BVerfG, 13.10.1971, 1 BvR 280/66 – BVerfGE 32, 54 ).

3. Art. 13 Abs. 7 GG fordert für Eingriffe und Beschränkungen, die nicht von Art 13 Abs. 2 bis 5 GG erfasst sind, eine spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, es sei denn, sie dienen der Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen.

4. § 322 FamFG iVm § 283 FamFG stellen keine Ermächtigungsgrundlage dafür dar, die Anhörung bzw. – wie vorliegend – eine Begutachtung des Betroffenen im Unterbringungsverfahren (§§ 312ff FamFG) in dessen Wohnung gegen dessen Willen durchzuführen. Soweit § 283 Abs. 1, Abs. 3 FamFG dazu ermächtigt, die Wohnung des Betroffenen zu betreten, dient dies allein dem Ziel, die Person des Betroffenen aufzufinden, um ihn der Untersuchung zuzuführen (vgl BGH, 17.10.2012 – XII ZB 181/12 m.w.N).

Zitierung:
BVerfG, 16.03.2018, 2 BvR 253 / 18
Bundesland:
Baden-Württemberg
Fundstellen:
BtPrax 2018, S. 111
FamRZ 2018, S. 1023
NJW 2018, S. 2185
RuP 2018, S. 182